Städtefahrt nach Pilsen mit Weihnachtsmarkt

Foto: Hans-Peter Weiß
Foto: Hans-Peter Weiß

Auf den Spuren der deutsch-tschechischen Kultur in Pilsen

 

Mit einer nicht alltäglichen Stadtführung durch die westböhmische Universitäts- und Bischofsstadt Pilsen beendete die Akademie Ostbayern Böhmen am 10.12.2022 das kulturelle Programm 2022. Christoph Mauerer B.A., Lehrbeauftragter an der Westböhmischen Universität Pilsen, führte eine Reisegruppe aus der Oberpfalz auf die Spuren deutscher Kultur.

(Bericht und Fotos von Hans-Peter Weiß)

 


Hans-Peter Weiß:

Erste Anlaufstation war im altehrwürdigen Rathaus der 170 000-Einwohner-Stadt ein großes Stadtmodell. Hier bekam die Reisegruppe einen umfassenden Überblick über die viertgrößte Stadt Tschechiens. Recht klein kamen sich die Besucher anschließend auf dem Platz der Republik neben der beherrschenden St.-Bartholomäus Kathedrale mit dem höchsten Kirchturm Tschechiens vor. Hier am rund 140 mal 190 Meter größten Marktplatz Europas, wo sich einst die Deutsche Bibliothek befand, startete die Tour über die frühere Salzgasse rund um die Altstadt.

 

Schon früh im Mittelalter gab es wirtschaftliche Beziehungen von Ostbayern nach Böhmen. Alte Verkehrswege verbanden Regensburg mit Pilsen und Prag. Deutsche Kaufleute und Gewerbetreibende siedelten sich hier an und bildeten den Kern der deutschen Einwohnerschaft. Auch aus dem deutsch-besiedelten Umland und den Alpenländern ließen sich hier Menschen nieder. Etwa ein Zehntel der Pilsener Stadtbevölkerung war vor rund 100 Jahren hier deutschsprachig. Nur zehn Kilometer westlich der Stadt verlief die Sprachgrenze. Die deutschen Menschen sprachen hier einen nordbayrischen Dialekt, ähnlich wie er in der Oberpfalz gesprochen wird. Viele Deutschböhmen pendelten auch aus dem Egerland regelmäßig zum Schulbesuch oder zur Arbeit nach Pilsen.

 

Spuren der Deutschen Kultur lassen sich heute ohne profunde Führung gar nicht so einfach finden, wenngleich Tschechen und Deutsche lange Zeit eine gemeinsame Kultur hatten. Die Westböhmische Stadt hat natürlich weit mehr zu bieten als Pilsner Bier und die Skoda-Werke. Da die Altstadt während des Krieges von einem Bombardement verschont blieb, sind zahlreiche alte Gebäude mit herrlichen Fassaden erhalten geblieben. „Viel Deutsches musste allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg ganz verschwinden oder wurde kurzerhand umbenannt“, wusste der gebürtige Neukirchener (b. Heiligen Blut) zu berichten. Aus den Straßenbezeichnungen „Salzgasse“ wurde „Solni“ und aus der Goethegasse wurde die „Goethova“, in deren Nähe sich auch das Deutsche Haus, Treffpunkt der deutschen Vereine, sowie das Deutsche Theater Pilsens befand.

Christoph Mauerer, der auch Doktorand an der Universität Prag ist, erzählte, dass bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Pilsen eine bedeutende deutsche Minderheit lebte. Der Krieg veränderte jedoch viel. Die Zeit des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg hatten insbesondere den überwiegend deutschsprachigen jüdischen Mitmenschen arg zugesetzt. Um 1938 lebten etwa 3000 Juden in der Stadt, die fast alle in die Vernichtungs- und Konzentrationslager geschickt wurden. Zeugnis davon gibt heute noch die jüdische Synagoge, die zweitgrößte Europas. Nach dem Krieg wurde auch die sudetendeutsche Bevölkerung vertrieben. Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen 1945 trennte der Eiserne Vorhang die Nachbarländer. Der Kalte Krieg begann. Die kommunistische Regierung der einstigen CSSR zerstörte weitgehend die gemeinsame Kultur. Bis 1989 war das Land wirtschaftlich und kulturell von Deutschland getrennt. Heute pflegt man mit Regensburg eine Städtepartnerschaft. 2015 wurde Pilsen sogar zur Kulturhauptstadt Europas ernannt.

 

Die Akademie Ostbayern ist seit 2016 mit der hiesigen Universität partnerschaftlich verbunden. Hier hat auch die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) ihren Sitz, die deutsche und tschechische Firmen berät. Außerdem befindet sich hier das Koordinierungszentrum des Deutsch-Tschechischen Jugendaustausches TANDEM, das die grenzüberschreitende Jugendarbeit und deutsch-tschechische Sprachanimationen organisiert.

 

Das historische Stadtzentrum Pilsens zieht zahlreiche Besucher nicht nur zur Sommerszeit an. Der weihnachtliche Markt zu Füßen des 102 Meter hohen Turms der Kathedrale lockte auch an diesem Adventswochenende zahlreiche Familien und Schaulustige an. Hier ließen die Akademie-Teilnehmer einen kurzweiligen Tag nach einer sehr informativen Stadtführung in vorweihnachtlicher Stimmung ausklingen.  


Alle Fotos: Hans-Peter Weiß:

Sie wollen Mitglied

bei der Akademie werden?

> Hier geht es weiter


Akademie-Büro in den  Rathaus-Arkaden Neunburg vorm Wald mit Dia-Show im Fenster
Akademie-Büro in den Rathaus-Arkaden Neunburg vorm Wald mit Dia-Show im Fenster