Eher wie ein Schloss wirkt der vor etwa 120 Jahren errichtete Pilsner Bahnhof heute, wenn man ihn nach ca. drei Jahren Restaurierungszeit betritt. Der denkmalgeschützte Bau steht gleichwertig neben anderen vom Jugendstil geprägten repräsentativen Beispielen am Rande des Stadtzentrums.
In der hellen, lichtdurchfluteten Bahnhofshalle wird die Besuchergruppe der Akademie Ostbayern-Böhmen am 31.08.2024 erwartet von Herrn Pavel Brůžek, Ingenieur für Bauwesen beim Baukonzern Swietelsky-Rail. Er informierte die Besucher im Rahmen des Jahresprogramms 2024 „Mobilität“ über den Verkehrsknoten Pilsen und dessen Bedeutung im grenzüberschreitenden Verkehr auf Straße und Schiene.
Text: Hans-Peter Weiß, Fotos: Hans Fischer
Der Bedeutung Pilsens angemessen baute man 1905 das imposante Bahnhofsgebäude, dessen anfängliche Schönheit leider lange vernachlässigt wurde. Nach der Wiedereröffnung 2023 erkennt man wieder vieles vom alten Glanz, die Wandgemälde und große Eisenplastiken im Stil des sozialistischen Realismus aus den 1950-er Jahren. Neu sind moderne kleine Ladengeschäfte auf zwei Ebenen. Kuriosum und Anziehungspunkt in der Hallenmitte - ein altes Tatra-Schienenfahrzeug für Kontrollfahrten aus dem Jahre 1944. Großzügig und in modernstem Design die Toilettenanlagen. Auf der elektronischen Anzeigetafel für Abfahrten wird gerade angezeigt: München über Schwandorf 11:11. Aus der Halle heraus führt nun nach Norden ein breiter Durchgang, auf dem die Fußgänger kurz und schnell zum Stadtzentrum gelangen, vorbei an der Stahlgitterkonstruktion einer
Aussichtsplattform, mit interessanten Perspektiven auf Bahnhof und Innenstadt.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen im ehemaligen Hotel Ural, heute Hotel Central, referierte Pavel Brůžek am Beispiel Pilsens, wie sich Eisenbahn- und Straßenverkehr im Wandel der Zeit gestalteten, vor allem die Verbindungen nach Bayern und die “Rolle Pilsens als wichtiger Verkehrsknotenpunkt“.
In Pilsen kommen zwei Hauptbahnstrecken zusammen. Die Bahn-Schnellverbindung RS3 von Prag über Pilsen - Domažlice – Furth im Wald nach Schwandorf und weiter nach München oder Nürnberg
sei bis Domažlice zweigleisig und elektrifiziert. Lediglich ein neun Kilometer langer Abschnitt fehle noch, und die Fertigstellung des Abschnitts Stod – Domažlice – Furth im Wald ist für 2027 – 2030
geplant, so der Fachman.
Die südliche Strecke Plzeň – Klatovy - Železná Ruda – Zwiesel, wichtig für den Tourismus, sei allerdings nur eingleisig bis Klatovy elektrifiziert.
„Mittlerweile fehlt leider die Entscheidung auf deutscher Seite über höhere Kapazitäten“, bedauerte Pavel Brůžek. Mit finanzieller
Hilfe der EU konnte mittlerweile der Transitkorridor Marktredwitz – Cheb – Pilsen - Prag auf tschechischer Seite vollelektrisch fast fertig gestellt werden. „Auch wenn der Abschnitt Cheb (Eger) – Schirnding - Marktredwitz nur eingleisig ist, gibt es vor allem für den Lastverkehr gute
Verbindungen“, betonte der Referent. „Lediglich in Richtung Dresden ist die elektrifizierte Strecke ab Prag zweigleisig. Schnellstrecken wären wünschenswert, bleiben aber vorerst nur Visionen.“
Zum Straßenverkehr meint Pavel Brůžek: “Wir brauchen nicht noch mehr Lastverkehr auf den Autobahnen und Straßen, der gehört auf die Schiene oder auf Wasserwege“. Alle angedachten Bauvorhaben müssten zudem einer ökonomischen Prüfung standhalten. Erfreulich sei, dass auf der Bundesstraße im Abschnitt Pilsen – Bayerisch Eisenstein sowie Pilsen - Domažlice – Furth im Wald die Umfahrung Klatovy in Kürze fertig gestellt werde. “Umfahrungen der Orte Stod, Holýšov, Horšovský
Týn und Babylon sind bis 2031 geplant”, informierte der Referent. Für ihn gehören Mobilität und Konnektivität fest zusammen. Auch er hofft, dass „auf beiden Seiten, die Regierungen die laufenden Diskussionen bald zu einem erfolgreichen Abschluss bringen.“
Der Nachmittag stand zur freien Verfügung. Am großen Stadtmodell im Rathaus stellte Pilsen-Kenner Hans Fischer dazu mögliche Ziele vor. Als attraktive Anziehungspunkte stellten sich heraus der 102 Meter hohe Turm der St.-Bartholomäus-Kathedrale, der große Marktplatz, der Alleegürtel vom Brauereimuseum bis zum Tyl-Theater, das Jugendstilcafé im Besedahaus, das Franziskanerkloster mit seiner exzellenten Präsentation sakraler Kunst, die Kafkaausstellung in der Westböhmischen Galerie und das Puppenmuseum Loutek, mit lustigen Möglichkeiten zum Mitmachen.